Talks

TALKING HUMANITY

"Talking Humanity" ist die neue Gesprächsreihe des Human Rights Film Festival Berlin. Gemeinsam mit unseren Partnern laden wir Persönlichkeiten von internationaler Bedeutung ein, sich zu drängenden Fragen unserer Zeit zu äußern. Die Gesprächsreihe setzt mit ihrer reduzierten Form bewusst einen Kontrapunkt zur Nachrichtenflut und lädt das Publikum ein, sich gemeinsam mit den Expert*innen intensiv einzelnen Thematiken zu widmen. Gemeinsam wollen wir die Themen von verschiedenen Perspektiven beleuchten, durchaus auch kontrovers diskutieren und nicht zuletzt zu einem offenen Dialog beitragen. Anschließend an die Gespräche zeigen wir einen ausgewählten Film aus unserem diesjährigen Festival-Programm. 

Die Talks finden im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung am Anhalter Bahnhof statt, jeweils um 18.30 Uhr. 

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12. Oktober - An vorderster Front: Die Rolle von Journalist*innen in Krieg und Krisen

Wenn es darum geht, der Welt die harte Realität in Konflikt- und Krisengebieten zu zeigen, sind mutige Journalist*innen unerlässlich. Doch wer darf eine Geschichte erzählen? Wie wird die Geschichte erzählt? Wie steht die Realität der gelebten Erfahrung im Gegensatz zu den Bildern von Medienverlagen, die über einen Konflikt oder eine Krise berichten?

Mit erfahrenen Journalist*innen und Expert*innen diskutieren wir über diese Fragen und die Rolle journalistischer Arbeit als eine Form der Zeugenschaft – sowie die Bedeutung der Arbeit, die von lokalen Journalist*innen geleistet wird. Das Panel wird sich unter anderem mit dem Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“ befassen, in dem ein Team ukrainischer AP-Journalist*innen die Gräueltaten der russischen Invasion in der Stadt Mariupol dokumentiert. Die Diskussionsteilnehmer*innen werden aus erster Hand darüber berichten, wie der Journalismus die Aufmerksamkeit auf die Erfahrungen von Menschen lenkt, die Krisen durchleben, und Echtzeitberichte über Ereignisse liefert, die von der internationalen Öffentlichkeit oft übersehen oder missverstanden werden. Vom moralischen Dilemma der Berichterstattung an vorderster Front bis hin zu den Herausforderungen, inmitten des Chaos die Wahrheit zu vermitteln, verspricht dieses Panel einen tiefen Einblick in die komplexe Dynamik des Kriegs- und Krisenjournalismus.

Im Anschluss: 20 Days in Mariupol

Am Vorabend der russischen Invasion in der Ukraine reist ein Team ukrainischer Journalist*innen der Associated Press in die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol. Als die Stadt belagert und angegriffen wird, sitzen die Journalist*innen fest. Bomben fallen, die Einwohner*innen versuchen zu fliehen. Der Zugang zu Strom, Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten ist unterbrochen. Dennoch kämpft das Team darum, die Gräueltaten der russischen Invasion zu dokumentieren und ihr Filmmaterial an die Öffentlichkeit zu bringen. Als einzige internationale Reporter*innen in der Stadt fangen sie ein, was später zu den entscheidenden Bildern des Krieges wird: sterbende Kinder, Massengräber, die Bombardierung einer Entbindungsklinik und mehr. Damit widerlegen sie direkt Putins Desinformation. Doch die russischen Soldaten sind hinter ihnen her.

13. Oktober - Das ethische Dilemma: Wenn Kindersoldaten von Opfern zu Tätern werden

Dominic Ongwen war neun Jahre alt, als die sogenannte Lord's Resistance Army ihn aus seinem Elternhaus in Gulu, Uganda, entführte. Er wurde gefoltert, einer Gehirnwäsche unterzogen und zum Töten gezwungen. Rund 30 Jahre später wird Ongwen wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt. Der Dokumentarfilm „Theatre of Violence“ erzählt seine Geschichte. Im Rahmen der weltweit ersten juristischen Untersuchung der Schuld ehemaliger Kindersoldaten werden wir mit einer komplexen ethischen Frage konfrontiert: Wann wird ein Opfer zum Täter? Mithilfe von Expert*innenwissen werden wir in einer Diskussionsrunde die philosophischen Dimensionen und moralischen Zweideutigkeiten erkunden, die diese Frage aufwirft – für diesen, aber auch für andere Fälle. Wir wollen das Zusammenspiel zwischen gesellschaftlichen Normen, Rechtssystemen und der individuellen Erfahrung von erzwungener Gewalt beleuchten. Dieser Dialog soll nicht nur als intellektuelles Gespräch verstanden werden, sondern auch eine Einladung sein, über die Komplexität menschlicher Konflikte und das Streben nach Gerechtigkeit nachzudenken.

Medienpartner: ARTE

Im Anschluss: Theater of Violence

Dominic Ongwen war neun Jahre alt, als die ugandische Terrorgruppe Lord’s Resistance Army ihn entführte und seine Eltern tötete. Die Guerillas von Joseph Kony folterten den Jungen, unterzogen ihn einer Gehirnwäsche und zwangen ihn zu töten. 30 Jahre später hat sich Ongwen den Behörden gestellt. Nun ist er vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt – als erster ehemaliger Kindersoldat überhaupt. Die Anklagepunkte reichen von Mord und Vergewaltigung bis hin zu Folter und Sklaverei. Aber kann man den erwachsenen Mann von seiner traumatischen Vergangenheit trennen, um ihn zu verurteilen? Kann man Opfer und Henker zugleich sein? Das ist die zentrale Frage für Krispus Ayena, der im prestigeträchtigsten Fall seiner Karriere zum Verteidiger von Ongwen ernannt wird.

14. Oktober - Das Schweigen brechen: Über Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt

Trotz einiger Fortschritte leben wir in einer Welt, in der geschlechtsspezifische Gewalt oft heruntergespielt oder übersehen wird, was tiefgreifende moralische, philosophische und politische Fragen aufwirft. Journalist*innen und andere Expert*innen decken in einer Diskussionsrunde die Komplexität und Voreingenommenheit auf, die der Medienberichterstattung über diese Verbrechen innewohnen, einschließlich des beunruhigenden Trends der Täter-Opfer-Umkehr. Unter dem Motto „Talking Humanity“ wollen wir die Erfahrungen der Betroffenen beleuchten. Unser Gespräch unterstreicht die Dringlichkeit, sich mit gesellschaftlichen Normen und rechtlichen Unzulänglichkeiten auseinanderzusetzen, die das Fortbestehen von Gewalt gegen Frauen ermöglichen. Wir werden uns mit der Frage beschäftigen, wie wir Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt durch unser gemeinsames Handeln beenden, eine Kultur der Nulltoleranz fördern und unsere Gesellschaft zum Besseren verändern können. Dieser Dialog fordert jeden von uns auf, sich kritisch mit diesen unbequemen Wahrheiten zu befassen und einen Wandel hin zu einer gerechteren und sicheren Welt für Frauen auf den Weg zu bringen. Im Anschluss an die Diskussion wird der Dokumentarfilm „Mein Name ist Happy“ gezeigt, der die inspirierende Geschichte der kurdischen Teenagerin Mutlu Kaya erzählt, die ihre Schwester und fast auch ihr eigenes Leben durch einen Femizid verliert – und sich ihre Stimme trotzdem nicht nehmen lässt.

Medienpartner: Lila Podcast

Im Anschluss: My Name is Happy

My Name Is Happy - Filmstill

Mutlu Kaya ist gerade einmal 19, als sie ihrem großen Traum, Sängerin zu werden, ganz nahekommt: Sie steht vor dem Einzug ins Finale der TV-Show „Turkey’s Got Talent“. Doch dann wird die junge Kurdin von einem Mann niedergeschossen. Sein Motiv: Mutlu hatte seinen Heiratsantrag abgelehnt. Sie überlebt nur knapp, mit einer Kugel im Kopf. Nach Wochen im Koma macht Mutlu ihre ersten vorsichtigen Schritte zurück ins Leben, gestützt von ihrer geliebten Schwester Dilek. Doch fünf Jahre später trifft ein Anruf Mutlu härter als alles zuvor: Ihre Schwester Dilek wurde von ihrem Verlobten ermordet. Mutlu kämpft nun nicht nur für ihre eigene Genesung, sondern um Gerechtigkeit für ihre Schwester und gegen die Normalisierung von Gewalt gegen Frauen. Für Dilek will sie endlich wieder singen.

15. Oktober - Das Streben nach Frieden: Eine umfassende Sichtweise

„Menschlicher Frieden“ ist ein vielschichtiges Konzept. Klimagerechtigkeit, Geschlechtergleichheit und Migration sind für nachhaltigen Frieden wesentlich. Unsere Expert*innen werden diese und weitere Aspekte beleuchten und sich mit  einer entscheidenden Frage auseinandersetzen: „Welchen Preis hat Frieden?“ Durch die Verknüpfung von Erfahrungen und aufschlussreichen Analysen wird das Gespräch auch die Kosten und Opfer ansprechen, die bei unserem Streben nach Ruhe oft übersehen werden. Mit einem ganzheitlichen Blick werden wir nicht nur die greifbaren, sondern auch die emotionalen und gesellschaftlichen Kosten der Friedenssicherung unter die Lupe nehmen. Ziel dieses Dialogs ist es, das Konzept von Frieden neu zu definieren, seine Komplexität über die Abwesenheit von Konflikten hinaus zu verdeutlichen und die Bedeutung der verschiedenen Dimensionen der Gerechtigkeit für eine friedliche Welt aufzuzeigen. Im Anschluss an die Diskussion wird der Film „This Kind of Hope“ über den belarussischen Diplomaten Andrei Sannikov gezeigt, der sein Leben dem Aufbau der Demokratie gewidmet hat.

Partner: Greenpeace

Im Anschluss: This Kind of Hope

Die Diplomatie ist Andrei Sannikovs Leben. In den 1990er-Jahren gelang es ihm in Belarus, das gefährlichste Atomwaffenarsenal der Welt abzurüsten. Unter Diktator Lukaschenko quittierte er aus Protest den Staatsdienst und schlug den gefährlichen Weg der Opposition ein. Nach dem ungeklärten Tod seines engsten Mitstreiters trat er als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko an – doch die Wahlen wurden gefälscht, Andrei Sannikov verhaftet, gefoltert und in Isolationshaft gebracht. Heute lebt er in Warschau im Exil. Von dort aus kämpft er weiter für seinen Traum: ein freies und demokratisches Belarus. Doch Sannikov muss jedes Wort abwägen – er weiß, dass Menschen in Belarus dafür gefoltert oder getötet werden könnten.

16. Oktober - Nebenschauplatz des Krieges: Mädchenbildung in Konfliktregionen

Inmitten von Kriegen wird Bildung zu einem raren Gut – das vor allem Mädchen oft verwehrt bleibt. An unserer Diskussionsrunde nehmen erfahrene Journalist*innen und Expert*innen für humanitäre Hilfe teil, die eine vielschichtige Perspektive auf die Überschneidung von Krieg, Geschlechterungleichheit und Bildungszugang bieten. Wir werden uns intensiv mit den moralischen, politischen und logistischen Hürden sowie den anhaltenden Bemühungen befassen, um Mädchen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Wir laden unser internationales Publikum dazu ein, sich mit der komplexen Realität dieser Themen auseinanderzusetzen. Es ist ein Aufruf zum Handeln für das allgemeine Recht auf Bildung, insbesondere für Mädchen, die im Schatten von Krieg und Krisen leben.

Partner: Global Partnership for Education (GPE)

Im Anschluss: Children of the Taliban

Shoukria und Arezo, die ihre Väter verloren haben, müssen arbeiten, um ihre Familien zu unterstützen, genauso wie Hunderttausende anderer Kinder in Afghanistan. Abdullah und Eshahnullah, als Söhne von hohen Taliban-Funktionären, gehen zur Schule und träumen von ihrer Zukunft. Alle vier stehen vor den Herausforderungen des Erwachsenwerdens, und obwohl ihre Lebenswege verschieden sind, teilen sie viele Erfahrungen. Ihre Geschichten offenbaren tiefe Einblicke in das aktuelle Afghanistan. Ihre Widerstandskraft im Schatten des Krieges ist tief bewegend. Trotz der Narben des Konflikts zeigen sie einen bemerkenswerten Überlebensgeist und Visionen für eine bessere Zukunft. Der Film feiert ihre unerschütterliche Hoffnung und den Traum einer erneuerten Generation.

17. Oktober - Hunger als Kriegswaffe: Wie gewaltsame Konflikte zu Hunger führen

Hunger ist eine der tödlichsten Waffen im Krieg: Er verursacht unermessliches Leid und zerstört das Leben von Millionen Menschen. Bewaffnete Konflikte zwingen Menschen zur Flucht, sie zerstören Ernten und führen zu Hungersnöten. In Krisenregionen wird Aushungern systematisch als Kriegswaffe benutzt. 85 Prozent der akut an Hunger leidenden Menschen leben in Konfliktregionen! Das Völkerrecht gibt einen klaren Rahmen vor, wie sich Konfliktparteien verhalten müssen, um Zivilist*innen zu schützen. Mit der UN-Resolution 2417 erkennt die internationale Gemeinschaft ihre Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung vor Hunger in Konflikten an. Diese Verpflichtungen müssen in die Tat umgesetzt werden. In diesem Talk wollen wir mit Expert*innen über die Zusammenhänge zwischen Krieg, Konflikten und Hunger sprechen – und über Maßnahmen, wie der konfliktbedingte Hunger reduziert werden kann.

Partner: Aktion gegen den Hunger

Im Anschluss: Le Spectre de Boko Haram

Während die anderen Kinder im Klassenzimmer mit Lehm spielen, lässt Falta ihren Blick aus dem Fenster schweifen: Auf dem Schulhof patrouillieren Soldaten, Maschinengewehre im Anschlag, in der Ferne ertönen Schüsse. Im Hohen Norden Kameruns lauert die ständige Bedrohung in den Bergen. Seit 2014 greift die Terrororganisation Boko Haram das Dorf Kolofata an und verübt brutale Gewalttaten. Auch Faltas Vater wurde ermordet. Doch Falta versucht, mit dem Verlust zu leben, ist wissbegierig und engagiert. Indessen haben die beiden Brüder Mohammed und Ibrahim keine Lust auf Schule. Viel lieber toben sie laut lachend umher und marschieren wie Soldaten über die Felder. Doch bei der Frage, wo ihre Eltern jetzt sind, werden sie still. Und irgendwann verschwinden die beiden Jungen selbst.

19. SEPTEMBER 2023