Fokus: Neue Narrative - Interview mit Tahir Della

Dekolonialisierung: “Eine Aufarbeitung auf Augenhöhe ist überfällig.”

Der Rassismus von heute und die Kolonialgeschichte von gestern sind miteinander verbunden. Letztere ist noch längst nicht aufgearbeitet. Deutschland müsse sich dem stellen und sich verantwortlich zeigen, sagt Tahir Della von der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“.

Herr Della, seit Planungsbeginn des Humboldt Forum in Berlin steht das Haus im Zentrum einer hitzigen Debatte über Raubkunst und die koloniale Vergangenheit Deutschlands. Wie erleben sie das?

Mit der Umsetzung des Humboldt Forums wird deutlich, dass die Verhältnisse zwischen den ehemaligen Kolonisierten und den ehemals Kolonisierenden immer noch sehr stark von einem Machtgefüge geprägt sind. Der Globale Norden bzw. die ehemaligen Kolonialmächte bestimmen immer noch die Rahmenbedingungen, wie die Folgen der Kolonialepoche aufzuarbeiten sind, wie mit Beutekunst umgegangen wird. Das Verhältnis ist nach wie vor von kolonialem Denken und Konzepten geprägt.
 

Raubkunst: Der Kampf um die Rückgabe afrikanischer Kunst

14. Oktober, 18.30 Uhr
Villa Elisabeth (Berlin Mitte)

Anschließend an die Diskussion with der Film "Restitution? Africa's Fight for Its Art" gezeigt. 

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TALK: Raubkunst: Der Kampf um die Rückgabe afrikanischer Kunst

Wem gehört die afrikanische Kunst in Europas Museen? Gemeinsam mit Expert*innen gehen wir der Frage nach, warum in der Kolonialzeit geraubte afrikanische Kunstschätze nicht schon längst an die Herkunftsländer zurückgegeben wurden und wie es gelingen kann, dass der Austausch zwischen ehemaligen Kolonialmächten und jenen die unter ihnen gelitten haben endlich auf Augenhöhe geführt wird.

Input: 
Njobati Sylvie, Aktivistin mit Schwerpunkt Restitution und Multimedia-Künstlerin

Eine Diskussion mit

Bénédicte Savoy, Professorin, Fachgebietsleiterin für Kunstgeschichte der Moderne an der TU Berlin
Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
Stefan Rössel, Beauftragter für Auswärtige Kulturpolitik, Auswärtiges Amt
Celia Parbey, Journalistin

Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?

Ich bin absolut der Meinung, dass sich Deutschland seiner kolonialen Vergangenheit umfassend stellen und endlich Verantwortung übernehmen muss für die im Namen Deutschlands begangenen Verbrechen. Es muss Auseinandersetzungen geben, die deutlich machen, dass man eine Versöhnung mit den ehemaligen Kolonisierten ernsthaft will. Das muss natürlich auch beinhalten, dass man über Reparationen und weitere Maßnahmen der Wiedergutmachung spricht.

Für wie wichtig halten Sie die gleichberechtigte und konzeptionelle Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit?

Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig auf Wissensstände von Menschen afrikanischer Herkunft, Schwarzer Menschen zurückgegriffen wird. Seit sehr langer Zeit ist die Schwarze Community in Deutschland dabei, die kolonialen Spuren im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Und es ist ganz selten der Fall, dass die Akteure hier in Deutschland – Museen oder Sammlungen – auf die Aktivist*innen, auf die Forscher*innen der Diaspora zugehen. Es muss deutlich werden, dass man ein gleichberechtigtes Miteinander anstrebt. Das heißt: Die Menschen der Diaspora einzuladen und in diesen Prozess einzubinden. Das ist meines Erachtens längst überfällig.

Das Interview erschien zuerst bei „Just Listen“, einem Kooperationsprojekt von Studierenden, leftvision e.V. und Berlin Postkolonial e.V., das sich kritisch mit den Kontinuitäten des Kolonialismus befasst.

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10. OCTOBER 2022